Spätestens beim Betreten des großzügig gestalteten Vortragsraums
wurde man daran erinnert, dass Transsexualität und Transgender schon
immer eine internationale Erscheinung waren.
An den Wänden befanden sich erstelle Plakate mit Flaggen aus den
unterschiedlichsten Ländern und Kontinenten wie Westeuropa,
Russland/Osteuropa, Australien, Lateinamerika, USA und Asien. Alle
Teilnehmer und Teilnehmerinnen erhielten einen farblichen Aufkleber
und markierten so bereits bereiste Länder/Kontinente, sodass man zu
Anfang einen Überblick gewinnen konnte, wer welches Land im Laufe
seines Lebens schon besucht hatte.
Während ihrer
Recherchen hatten Beverly und Gracia zwischen
200 und 300
Transgender weltweit angeschrieben um so auch an primäre Quellen von
Betroffenen zu gelangen. Sie erhielten aus vielen Ländern auch
Briefe und Mail von Betroffenen so z.B. aus
Russland, Weißrussland, Estland, Rumänien, Philipinen, USA und
einige mehr. Zum Teil waren auch Bildmaterial der
betreffenden Personen vorhanden, welches an der Wand mit
ausgehängt wurde. Es wurden aber ganz bewusst keine gewerblichen
Transfrauen angeschrieben um die Lebensbedingungen von ganz normalen
Transgendern zu erfassen.
Zitate aus den Antworten wurden zunächst
kommentarlos in den Raum gestellt und die Teilnehmer waren
aufgefordert, diese an den Wänden den unterschiedlichen Kulturen
zuzuordnen. Bereits hier wurde deutlich, dass sich die Vermutungen
mit der Realität bzgl. der Bedingungen von Transgendern in
unterschiedlichen Kulturen nur teilweise bestätigen lies.
Die großen Unterschiede in den Lebensbedingungen für Transgender -
selbst unter den westlichen Ländern - wurden offenbar, wenn man
grundlegende Aspekte betrachtet wie spezifische Vorteile bei der
medizinischen Versorgung, den beruflichen Möglichkeiten oder den
bürgerlichen Rechten und dem Ansehen in der Bevölkerung.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
In den meisten Kriterien bieten die USA neben einigen westeuropäischen
Staaten zu Zeit die besten Bedingungen für Transgender. In keinem
anderen Land gibt es so gute Chancen für TS- Frauen am Arbeitsplatz
und auch sonst im täglichen Leben, und viele Post-OP- Frauen können
hierzulande Karriere machen und ein angenehmes bürgerliches Leben führen.
In den Ländern Mittel- und Südamerikas findet man eine völlig andere
Situation vor. Jeder Mann, der dort auf irgendeine Weise weiblich
wirkt, ist dort extremer Lächerlichkeit und Stigmatisierung
ausgesetzt. Das führt dazu, dass die meisten TG und TS in
Lateinamerika dauerhaft in Furcht und Repression leben, große Angst
davor haben, ihre Gefühle zu offenbaren und meistens nicht
versuchen, diese Konflikte aufzulösen. Bis zu einem gewissen Grad
ist Brasilien diesbezüglich eine rühmliche Ausnahme in
Lateinamerika. Hier liest man immer wieder von beachtlichen
Karrieren hübscher Transfrauen. Allerdings setzt sich auch in
Brasilien das unabhängige Konzept für Transsexualität nur langsam
durch.
Ganz anders als in Lateinamerika sind manche europäische Staaten
gute Orte für Geschlechterwandel. Besonders in den Niederlanden und
in den skandinavischen Ländern werden Geschlechtsangleichungen
unterstützt. In manchen dieser Staaten müssen jedoch bei der
Behandlung langwierige bürokratische Hindernisse überwunden werden.
Leider sind auch die beruflichen Perspektiven in Europa lange
nicht so gut wie in den USA, wobei in den USA auch ganz deutlich
zwischen den einzelnen Bundesstaaten unterschieden werden muss!
In Australien wächst die Unterstützung für das Wechseln der
Geschlechtsrolle. Viele der Leute dort sind freundlich und haben
ähnlich wie in den USA eine Grundhaltung des "Leben und Leben
lassen".
Nach wie vor sind
Geschlechtsangleichungen in Osteuropa sehr viel schwieriger
als in Westeuropa — die Bürokratie ist schlimmer und es ist nur
schwer möglich, die Indikationen für die Behandlungen zu erlangen.
In den asiatischen Kulturen sind die jeweiligen Situationen sehr
unterschiedlich.
In China geht man neuerdings dazu über, den Geschlechterwechsel
zuzulassen, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Japan ist dagegen
diesbezüglich weitaus rückständiger, besonders, weil in der dortigen
Kultur großer Wert auf Konformität gelegt wird und alle ausgrenzt
werden, die sich "außerhalb der Norm bewegen".
Ganz im Gegensatz dazu gibt es in Thailand eine lange Tradition der
"Kathohey" (Mann zu Frau Transgender),
die dort als Bardamen und als Unterhaltungsdamen tätig sind. Trotz
ihrer Akzeptanz in der thailändischen Gesellschaft werden sie
rechtlich nicht als Frauen anerkannt und können keine offiziellen
Papiere als Frauen erhalten.
In muslimischen Staaten wie Türkei, Indonesien oder Malaysia ist die
Lage für die Transfrauen vergleichbar zu der Situation im vom
Katholizismus dominierten Lateinamerika. Transgender verlieren ihre
Identität, werden am Arbeitsmarkt unvermittelbar und sind gezwungen
in Ghettos zu leben. Am schlimmsten ist die Situation für
Transgender und Transsexuelle in der islamitischen Welt. Dort wird
jegliche Abweichung der sexuellen Orientierung oder der
Geschlechtsidentität mit äußerster Brutalität und Grausamkeit
sanktioniert.
In zahlreichen streng muslimischen Ländern, vor allem in Saudi
Arabien, werden homosexuelle Männer und Frauen regelmäßig wegen
ihrer Homosexualität hingerichtet.
In Persien ist die Geschlechtsangleichung dagegen relativ einfach
möglich, jedoch weniger als ein Entgegenkommen an Transgender
sondern mehr um homosexuelle oder weibliche Männer in eine richtige
Rolle zu pressen.
Während des Vortrages wurden immer wieder Briefe von den
angeschriebenen Personen vorgelesen, die Beverly und Gracia erhalten
hatten. So konnte man auch von den Betroffenen direkt Informationen
beziehen. Diese Briefe waren jedoch zum Teil sehr persönlich und
haben den ein oder anderen Teilnehmer sehr nachdenklich und
betroffen gestimmt.
Bereits während des Vortrages entstanden zum Teil sehr interessante
Diskussionen die zum Ende der Veranstaltung noch weiter ausgebaut
werden konnten. Ein klein wenig Kritik kam auf, dass z-B.
afrikanische Länder nicht erwähnt wurden. Hier sei nochmals gesagt,
dass man aus Zeitgründen nur einen globalen Überblick geben konnte.
Ein Fazit für Referenten und die Teilnehmer dürfte wohl gewesen
sein, dass die Bedingungen für Transgender jeglichen Coleur bei uns
in Deutschland und Westeuropa vielleicht noch nicht ganz optimal
sind, aber es uns dennoch überdurchschnittlich gut geht im Vergleich
zu anderen Regionen dieser Erde.
An dieser Stelle
möchte sich das SHG Transtalk Team nochmals recht herzlich bei den
Moderatorinnen bedanken.
Vorausschau auf den kommenden Transtalk Themenabend
am 17. April 2009
Der kommende Themenabend wird wieder im Nebenzimmer des Lokals
"Die Gurke" stattfinden.
Thema:
Gesetze, psychologische Gutachten und Erfahrungsberichte
Moderation: Franziska Hohmann Vorsitzende der Selbsthilfegruppe in
Stuttgart TransidentX
Über eine rege Beteiligung würden wir uns sehr freuen.
Themenkatalog 2009:
Einen vollständigen Überblick über die Themenabend Themen im Jahre
2009 findet ihr auf folgender Seite:
terminkalender_2009.htm